Wiggen LU: «Schuldgefühle» – So können Eltern mit Tragödie umgehen
Entlebuch 24.01.2024 - 12:00
In der Nacht auf Montag kamen in Wiggen LU drei Kinder bei einem Brand ums Leben. Eine Trauma-Expertin erklärt, was so ein schlimmer Verlust bei Eltern auslöst.
Das Wichtigste in Kürze
- Beim Brand eines Bauernhauses in Wiggen LU kamen Anfang Woche drei Kinder ums Leben.
- Die Behörden gehen davon aus, dass es ich um drei vermisste Kinder (6, 7 und 9) handelt.
- Laut einer Traumatologin sind Schuldgefühle wichtiger Bestandteil bei der Verarbeitung.
In der Nacht auf Montag kam es in Wiggen LU zu einem tragischen Ereignis: Bei einem Brand eines Bauernhauses kamen drei Kinder ums Leben. Drei Erwachsene konnten rechtzeitig fliehen.
Eine 36- und eine 43-jährige Person erlitten dabei erhebliche Verletzungen, schafften es aber gemäss dem Feuerwehrkommandanten selbstständig aus dem Haus. Sie wurden durch Rettungshelikopter ins Spital geflogen. Eine 38-jährige Person wurde leicht verletzt.
Zur Identifikation der drei geborgenen Leichen können laut Untersuchungsbehörden noch keine Angaben gemacht werden. Sie gingen am Montag jedoch davon aus, dass es sich um die nach dem Brand vermissten drei Kinder (6, 7 und 9) handelt.
Nau.ch hat bei einer Traumatologie-Expertin nachgefragt, wie Eltern mit einem so tragischen Verlust umgehen. «Ein solches Erlebnis ist ein tiefes Schocktrauma. Welches aus meiner traumatherapeutischen Sicht kaum ohne externe Hilfe zu verarbeiten ist», erklärt Solange Caviezel von «Simply Be», einer Praxis für Traumatologie und verkörpertes Bewusstsein.
«Schuldgefühle sind in jedem Fall ein wichtiger Bestandteil»
Bei einem Trauma gehe es darum, was es im jeweiligen Menschen im Inneren, insbesondere im Nervensystem, mache. «Das ist mitunter ein Grund, weshalb jede Person auf dasselbe Ereignis oder ähnliches Ereignis komplett unterschiedlich reagieren kann.»
Ein solcher Verlust werde ab so einem Moment Teil des Lebens sein. Es gelte Wege zu finden, wie mit diesem Schmerz neu und anders umgegangen werden könne. «Dabei wird in der Traumatherapie vor allem an der Kapazität des Nervensystems, wie es Emotionen durchfühlen kann, ohne in die Überwältigung zu kommen, gearbeitet», so Caviezel.
«Schuldgefühle sind in jedem Fall ein wichtiger Bestandteil, der in einem solchen Fall zu beachten ist. Schuldgefühle sind Sekundär-Emotionen, welche darunterliegende Emotionen wie Trauer, Wut, Schmerz ‹schützen›. Weil sie eben so überwältigend sind.»
Schuldgefühle würden somit verhindern, dass die Energie der Emotionen gewandelt werden könne. In der Traumatherapie arbeite man sehr dosiert und in kleinen Schritten, um diese Emotionen und gestaute Energie ganz sanft in kleiner Dosis zu wandeln.
Traumatherapie und Selbsthilfegruppe
«Sodass es für das Nervensystem verdaubar und wandelbar ist. Deshalb braucht es Geduld und Zeit», sagt die Expertin. Wenn die Schock-Energie, die sich im Körper festlege, nicht sanft gelöst werde, bleibe das Nervensystem im Augenblick des Trauma-Erlebnisses hängen. Und durchlebe dieses immer wieder gleich im Hier und Jetzt.
Die Expertin weist darauf hin: «Dies führt zu einem Shutdown im Nervensystem als Überlebensmechanismus, bei dem Folgen wie Dissoziation und Depression die Folgen sein können. Wenn an einem solchen Trauma nicht gearbeitet wird.» Und zwar je früher, desto besser.
Eine Körper-Nervensystem-orientierte Traumatherapie sei ein effizienter und nachhaltiger Weg, um selbst mit einem solch schlimmen Ereignis wieder eine Lebensqualität zu erreichen. «Parallel dazu empfiehlt es sich, eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen», sagt Caviezel. Menschen mit ähnlichen Erlebnissen könnten sich gegenseitig mit den eigenen Heilungsschritten inspirieren und unterstützen.
Wegen der grossen Betroffenheit in der Gemeinde hat Escholzmatt-Marbach für die betroffenen Personen ein Spendenkonto eingerichtet.