Abwaschen geht nicht: Bäckereien fahren Krallen gegen Gelnägel aus

Lange, bunte Gelnägel liegen im Trend. Bäckereien haben bei ihren Verkäuferinnen damit zu kämpfen.

Das Wichtigste in Kürze
- «Sie konnten gar nicht mehr richtig tippen», sagt die Chefin einer Bäckerei in Baar ZG.
- Eine Bäckerei in Wiesendangen ZH drückt bei Studentinnen mit Gelnägeln ein Auge zu.
- Künstliche Fingernägel stellen laut dem Inselspital ein Reservoir für Mikroorganismen dar.
Tippende Klickgeräusche von Gelnägeln gehören mittlerweile in vielen Büros zur vertrauten Geräuschkulisse. In Bäckereien ist mit dem Accessoire aber schon Schluss, bevor der erste Nagel abgebrochen ist.
Der Modetrend mit den langen, bunten Fingernägeln macht der Bäckerei Hotz Rust AG in Baar ZG zu schaffen. «Es ist wirklich schwierig, diese Diskussion», sagt Verkaufsleiterin Andrea Hotz zu Nau.ch.
Vor einiger Zeit verschärfte Hotz die Hygienevorschriften. «Erlaubt waren nur noch kurze und unlackierte Nägel», sagt Hotz.
«Massnahme traf auf sehr viel Unverständnis»
Die Krallen musste die Bäckerei ausfahren, weil es manche Mitarbeiterinnen an der Theke übertrieben. «Da hatte man das Gefühl, dass die Nägel und nicht unsere feinen, natürlichen Produkte im Vordergrund standen», so Hotz.
Sehr bunte und sehr lange, teilweise mit Steinchen dekorierte Nägel hätten die Mitarbeiterinnen getragen.
«Auf der Kasse konnten sie so gar nicht mehr richtig tippen», sagt Hotz. Erwische man deshalb Touch-Felder auf dem Screen nicht, drohen Fehlbeträge.
Inzwischen lässt die Bäckerei dezente Gelnägel wieder zu. «Meine Massnahme traf auf sehr viel Unverständnis.»
Kulanz wegen Fachkräftemangel
Eben ist in der Bäckerei wieder eine Kandidatin mit Gelnägeln zum Bewerbungsgespräch aufgetaucht. «Sie sagte, sie müsse diese künstlichen Nägel tragen.» Hotz erklärte sie, dass ihre natürlichen Nägel ansonsten einrissen, was Schmerzen bereite.
Hotz beurteilte die Nägel als dezent. «Ich machte ihr klar, dass dies okay ist, solange sie die Nägel weiterhin so trage.»
Auch die Bäckerei-Konditorei-Confiserie Meier in Wiesendangen ZH kämpft mit dem Modetrend. «Wenn man schon keine Leute findet, muss man auch bei Gelnägeln etwas kulanter sein.» Dies sagt Geschäftsführerin Manuela Meier.
Tippen mit Fingerkuppen als Bedingung
Am Sonntag stehen oft Studentinnen hinter der Ladentheke. Bei den 18- bis 25-jährigen Frauen seien Gelnägel besonders beliebt, sagt Manuela Meier.
«Sie gehen am Samstag mit schönen Fingernägeln in den Ausgang.» Am Sonntag bei der Arbeit trügen sie diese immer noch. «Da drücken wir ein Auge zu», sagt sie schmunzelnd. Die Bedingung sei jedoch, dass sie mit den Fingerkuppen tippen könnten.
Tauchen Bewerberinnen für eine Lehrstelle oder feste Stelle mit langen Gelnägeln auf, gibt es hingegen keine Ausnahme.
Die meisten Bewerberinnen verstehen die Regel laut Meier. «Zeigen sie Mühe damit, mache ich klar, dass dies Grund für eine Absage sein kann.»
Gelnagel im Abwasch
In der Backbar im Zürcher Seefeld ist die Wahrscheinlichkeit gross, das Gipfeli von Händen mit Gelnägeln serviert zu bekommen. «Praktisch finden wir es auch nicht, aber man muss den Trend schlucken.» Dies sagt Wolfram Schniepp, der mit seiner Frau die Backbar führt.
Mit den langen Nägeln könne das Personal praktisch nichts anfassen, sagt Schniepp. «Kurz einmal etwas abwaschen geht darum nicht.» Doch dies nimmt das Inhaberpaar in Kauf. «Man ist froh, wenn man gute Mitarbeiterinnen hat», sagt Schniepp.
Alles können sich Mitarbeiterinnen mit den Trend-Nägeln aber auch nicht erlauben. «Die Nägel müssen sauber sein und dürfen nicht abgesplittert sein», sagt Schniepp.
Tatsächlich habe er im Geschirrspüler einst einen künstlichen Nagel entdeckt. «Der Nagel stammte aber von einer Kundin aus der Cafébar», sagt der Inhaber lachend.

Der Schweizerische Bäcker-Confiseurmeister-Verband SBC zieht kurze Nägel vor. «Der SB empfiehlt seinen Mitgliedern, auf Gelnägel sowie auf modifizierte und lackierte Nägel zu verzichten.» Dies sagt Verbands-Vizedirektorin Claudia Vernocchi.
Maurerin mit langen Nägeln
In anderen Branchen ist das Accessoire tabu. Das Berner Inselspital schreibt Personal mit Patientenkontakt vor, auf Gelnägel zu verzichten. «Denn künstliche Fingernägel stellen ein Reservoir für Mikroorganismen dar und können die Wirkung der Händedesinfektion beeinträchtigen.» Dies teilt Didier Plaschy mit, Mediensprecher des Inselspitals.

Maurerin Alischa Fähndrich muss ihre langen, weissen Gelnägel vor der Arbeit hingegen nicht entfernen lassen. Auf dem Bau geht sie samt künstlichen Nägeln geschickt mit Hammer und Messgerät um. Dies zeigte kürzlich ein Beitrag der SRF-«Rundschau» zum Thema Frauen auf dem Bau.
Tatsächlich ist das Accessoire auf dem Bau erlaubt, wie der Schweizerische Baumeisterverband bestätigt. «Finden Bauarbeiterinnen geeignete Schutzhandschuhe, die auch mit Gelnägeln sicheren Halt ermöglichen, steht dem Tragen von Gelnägeln nichts im Wege.»