Kontroverse um Musikunterricht: Einwohnerrat beauftragt Prüfung

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Emmen,

In Emmen soll geprüft werden, ob offener Musikunterricht während der Schulzeit umsetzbar ist. Trotz breiter Unterstützung sorgt die Idee für deutliche Kritik.

Emmen Luzern Emmenbrücke
Ausblick auf die Gemeinde Emmen LU. - Keystone

Wie die Gemeinde Emmen mitteilt, beauftragt der Einwohnerrat den Gemeinderat, das Modell eines offenen Musikunterrichts während der regulären Schulzeit vertieft zu prüfen. Obwohl die Forderung im Parlament auf breite Unterstützung stiess, zeigte die Debatte deutliche Vorbehalte hinsichtlich Chancengerechtigkeit, Belastung der Volksschule und organisatorischer Machbarkeit.

Einwohnerrätin Petra Schnüriger-Felder (FDP), Initiantin der Forderung, betonte, dass Musikunterricht während der Schulzeit neue Möglichkeiten eröffnen könne: «Häufig höre ich, dass Kinder mit zunehmendem Alter aus Zeitgründen mit dem Musikunterricht aufhören.» Flexiblere Unterrichtsformen könnten hier Abhilfe schaffen und Talente gezielter fördern.

Auch SP, GLP/Grüne und SVP unterstützten die Idee. Claudia Stofer (SP) hob hervor, dass Familien entlastet und die musikalische Förderung «nachhaltig gestärkt» würde.

Sorge um Schulorganisation

Deutlich kritischer äusserten sich Vertreterinnen von Frauen engagiert in Emmen (FeE) und Die Mitte. Claudia Bachmann (FeE) verwies auf die bereits heute vielen Abwesenheiten durch Förderangebote wie Deutsch als Zweitsprache, Integrierte Förderung, Psychomotorik, Logopädie oder Schulinseln und warnte vor zusätzlichen Störungen: «Regelmässige Abwesenheiten schwächen das soziale Gefüge einer Klasse. Ein weiteres Kommen und Gehen würde die Situation verschärfen.»

Zudem sei der Besuch des ordentlichen Unterrichts gemäss Wochenstundentafel des Kantons Luzern obligatorisch, Musikunterricht jedoch freiwillig. Eine Bevorzugung eines einzelnen Förderbereichs sei «weder pädagogisch noch rechtlich zu rechtfertigen».

Strübi stellte die Frage, wo die Grenzen gezogen werden: Gilt das Gleiche nicht für Sport, Religionsunterricht oder weitere kreative Angebote? Eine gezielte Förderung einzelner Bereiche dürfe nicht zu Ungleichbehandlungen führen oder zur Diskriminierung kognitiv schwächerer Kinder, die alle Schulstunden besuchen sollten.

Chancengerechtigkeit und Kosten im Fokus

Auch aus Gründen der Chancengerechtigkeit zeigte Bachmann sich skeptisch: Oft seien nicht die Termine, sondern die Kosten das Haupthindernis. Der Bildungsauftrag der Schule dürfe nicht betriebswirtschaftlichen Interessen oder einer dicht getakteten Freizeitgestaltung untergeordnet werden.

Die Mitte kritisierte vor allem die fehlende Einbindung der Lehrpersonen. Petra Strübi sagte: «In der Beantwortung des Gemeinderats fehlt die Stimme der Lehrerschaft. Ihre Bedenken müssen ernst genommen werden.»

Auch beim Partnerunterricht zeigte sie sich zurückhaltend: Dieser funktioniere vor allem im ersten Jahr. Später spielten Talent und Fleiss eine wichtigere Rolle. Zudem stellte sie die organisatorische Machbarkeit infrage, etwa bezüglich Aufsichtspflichten oder räumlicher Wege zwischen Schulhaus und Musikschule. Strübi verwies darauf, dass die Distanzen zwischen den Schulstandorten in Emmen grösser und komplexer seien als in anderen Gemeinden.

Befürworter sehen umsetzbare Lösungen

Befürworter halten die schulischen Auswirkungen für handhabbar, sofern die Umsetzung sorgfältig geplant werde. So meinte Claudia Stofer (SP): «Es braucht klare Absprachen zwischen Musikschule, Volksschule und Eltern. Lehrpersonen dürfen nicht zusätzlich belastet werden.»

Zusätzliche Chancen sehen Befürworter auch für die Musikschule selbst. Attraktivere Unterrichtszeiten könnten zu höheren Pensen der Musiklehrer in der Gemeinde Emmen und folglich zu mehr zeitlicher Flexibilität führen.

Kritische Stimmen bezweifelten jedoch, ob genügend Musiklehrpersonen tagsüber verfügbar wären, da viele zusätzlich in Orchestern, Ensembles oder höheren Fachschulen tätig seien. Hier bestehe das Risiko, Fachpersonen zu verlieren, wenn sie nicht länger zu den gewohnten Zeiten unterrichten könnten.

Prüfauftrag überwiesen

Der zuständige Gemeinderat und Bildungs- und Kulturdirektor Brahim Aakti betonte die besondere Bedeutung musikalischer Bildung in einer sozial und kulturell so vielfältigen Gemeinde wie Emmen: Sie verbinde Menschen, fördere Teilhabe und stärke den Zusammenhalt.

Die Musikschule ermögliche Kindern und Jugendlichen, ihre Kreativität zu entfalten, Selbstvertrauen aufzubauen und gemeinsame Erlebnisse zu schaffen, die über die Schulzeit hinauswirkten.

Gleichzeitig zeigte er sich überrascht über die Intensität der Kontroversen und relativierte die Erwartungen: «Es geht heute nicht um die Einführung eines neuen Modells, sondern um einen Prüfauftrag. Wir sind bereit, diesen entgegenzunehmen – nicht mehr und nicht weniger.» Dass die bisherige Beantwortung der Forderung noch viele Fragen offenlasse, sei normal: Der Prüfauftrag solle diese Fragen ja erst klären.

Modell soll weiter untersucht werden

Trotz unterschiedlicher Einschätzungen sprach sich der Einwohnerrat mit 27 zu 8 Stimmen klar dafür aus, das Thema weiter zu verfolgen. Der Gemeinderat wird nun prüfen, ob und unter welchen Bedingungen ein Musikschulbesuch während der regulären Schulzeit in Emmen umsetzbar wäre.

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