FC Luzern – Rechtsexperte: «Grabenkampf» wird noch Jahre dauern

Seit Monaten läuft der Aktienstreit zwischen dem FC Luzern und Bernhard Alpstaeg jetzt schon. Und noch ist kein Ende in Sicht. Ein Rechtsexperte ordnet ein.

Das Wichtigste in Kürze
- Professor Peter V. Kunz ist überrascht über die Dauer des Aktienzoffs beim FC Luzern.
- Der Aktienrechtsexperte rechnet nicht mehr mit einem zeitnahen Abschluss des Konflikts.
- Kunz bekräftigt aber, dass Bernhard Alpstaeg aktienrechtlich eine gute Ausgangslage habe.
Vor wenigen Tagen gibt sich der FC Luzern im Hinblick auf die Lizenz-Erteilung für die nächste Saison einigermassen entspannt. Grund: Die Aktionäre erklären sich dazu bereit, für das Defizit von rund 2,5 Millionen die nötige Bankgarantie abzugeben.

Der Club plant zudem, dass in den kommenden Monaten neue Aktionäre aus der Region dazu kommen. Das Aktionariat soll erweitert werden. Bei diesen Plänen ist Bernhard Alpstaeg weiterhin aussen vor. Zwischen den Streit-Parteien ist immer noch keine Einigung in Sicht, gleich mehrere Verfahren sind hängig.
Der Aktionärs-Zoff beim FC Luzern zieht sich nun schon Monate hin. Nau.ch hat deshalb bei Wirtschaftsrechtsprofessor und Aktienrechtsexperte Peter V. Kunz um eine Einordnung gebeten.
Nau.ch: Professor Kunz, im Rechtsstreit zwischen dem FC Luzern und Bernhard Alpstaeg ist weiterhin keine Einigung in Sicht. Sind Sie überrascht, dass sich der Fall so lange hinzieht?
Peter V. Kunz: Ja, ich bin sogar sehr überrascht über diesen jahrelangen Grabenkampf. Beide Seiten, immerhin mit Ausnahme ihre Rechtsanwälte und PR-Berater, sind eigentlich Verlierer bei einem lange andauernden Streit, an dem niemand ein Interesse haben kann. Die Kosten überborden, was einzig die zahlreichen Berater freuen dürfte.
Nau.ch: Was hätten Sie den beteiligten Parteien geraten?
Peter V. Kunz: Als Rechtsanwalt hätte ich meinem Klienten längst zu einer aussergerichtlichen Einigung geraten, doch bin ich ja nicht involviert. Ganz offensichtlich sind die Fronten jedoch so verhärtet, dass eine Annäherung schlicht ausgeschlossen scheint.
Grosse Egos spielen in der Praxis oftmals ebenfalls eine wichtige Rolle für eine fehlende Einigung. Der andauernde Streit stellt ausserdem eine unangenehme Rechtsunsicherheit dar, und zwar nicht zuletzt für den FC Luzern.

Nau.ch: Haben Sie eine Erklärung dafür, wieso sich die Mühlen der Justiz in diesem Fall so langsam drehen?
Peter V. Kunz: Ich kenne die Details der einzelnen Verfahren nicht, sodass ich den Luzerner Gerichten keinen Vorwurf machen möchte. Nicht selten sind Verzögerungen durch die Streitparteien der zentrale Grund für lange Verfahrensdauern.
Nach meinem Verständnis liegen jedoch noch nicht einmal erstinstanzliche Entscheide vor, was tatsächlich etwas überrascht. Soweit bekannt ist, geht es um langwierige Beweisthemen und um komplizierte Aktienrechtsfragen. Das kann natürlich nicht einfach so «husch husch» erledigt werden.
Nau.ch: Fehlt es den Gerichten möglicherweise an vergleichbaren Fällen?
Peter V. Kunz: Die meisten Gerichte in der Innerschweiz haben zudem mit wirtschaftsrechtlichen und aktienrechtlichen Themen eher selten zu tun und darüber zu urteilen, so dass allenfalls eine gewisse fachliche Überforderung bestehen könnte. Doch ist dies Spekulation.
Dass aber Luzerner Gerichte selten das Aktienrecht anzuwenden haben, könnte durchaus die lange Verfahrensdauer miterklären.

Nau.ch: Besteht aus Sicht des Experten die Möglichkeit, dass ein solches Verfahren im Interesse der Öffentlichkeit schneller oder prioritär behandelt wird? Schliesslich handelt es sich beim FCL um einen Club mit grosser regionaler und überregionaler Bedeutung.
Peter V. Kunz: Nein, ich denke nicht. Die Gerichte dürfen nicht wegen regionaler oder sonstiger Interessen der Öffentlichkeit schneller oder weniger schnell urteilen. Auch bei einem «kleinen» Verfahren mit geringer Bedeutung haben Streitparteien einen rechtlichen Anspruch auf einen zügigen Rechtsschutz.
Ich könnte mir sogar vorstellen, dass im konkreten Fall die Luzerner Gerichte angesichts der grossen medialen Bedeutung des Streits in der Innerschweiz möglichst keine Fehler machen wollen und alles sehr, sehr, sehr genau nehmen wollen.

Richterinnen und Richter sind ja auch nur Menschen, haben also beispielsweise ebenso Vorurteile und werden auch durch ihr persönliches Umfeld, etwa durch Freunde und Kollegen, stimmungsmässig beeinflusst. Eine Sonderbehandlung oder gar ein «Schnellverfahren» («fast track») gibt es in der Schweiz ohnehin nicht.
Nau.ch: Sie sagten 2023 gegenüber Nau.ch, dass Herr Alpstaeg in einer «rechtlich guten Ausgangslage» zu sein scheint. Bleiben sie weiterhin bei dieser Meinung?
Peter V. Kunz: Ich kannte und kenne seine Klageschriften nicht, habe auch keinen Kontakt mit den Rechtsanwälten in diesen Verfahren.
Meine Einschätzung beruhte und beruht also auf den öffentlichen Informationen, so dass ich nach wie vor sage: Herr Alpstaeg hat zumindest aktienrechtlich eigentlich eine sehr gute Ausgangslage. Es scheint mir allerdings, dass er taktisch nicht wirklich klug vorgegangen ist, nicht zuletzt mit Interviews, die ihm geschadet haben.

Aktienrechtlich ist klar: Ein Mehrheitsaktionär hat grundsätzlich in der Schweiz das Sagen, und ein Verwaltungsrat kann ihm nicht einfach die Aktien «entziehen».
Dass sich Herr Alpstaeg gerichtlich noch nicht hat durchsetzen können, spricht auch nicht unbedingt für seine anwaltliche Beratung – wobei zu bedenken ist, dass Klienten natürlich nicht immer den Ratschlägen der Rechtsanwälte folgen, wenn sie ihnen nicht passen.
Nau.ch: Wie lange könnte sich das Verfahren im «Worst Case» noch hinziehen?
Peter V. Kunz: Das ist natürlich reine Spekulation, weil mir die konkreten Dossiers und der Status quo dazu nicht bekannt sind. Doch alle Zivil- und Strafverfahren, die aktuell pendent scheinen, können nach dem erstinstanzlichen Urteil im Kanton ans Obergericht weitergezogen werden, was sicherlich wieder 1 – 2 Jahre in Anspruch nimmt.
Zu guter Letzt dürfte auch noch das Bundesgericht in Lausanne als dritte Instanz urteilen, etwa zwei Jahre nach dem Obergericht. Ausserdem könnte es durchaus sein, dass die oberen Instanzen, also Ober- oder Bundesgericht, die Verfahren wieder zur Ergänzung an die Vorinstanzen zurückweisen; es könnte ein richterliches Pinp-pong drohen.

Nau.ch: Das heisst in Jahren?
Peter V. Kunz: Im Jahr 2030 werde ich als Professor an der Uni Bern emeritiert: Ich rechne nicht damit, dass die Verfahren vor meiner Emeritierung in 5 ½ Jahren rechtskräftig abgeschlossen sind – glückliche Rechtsanwälte und PR-Berater!
Nau.ch: Sind Ihnen vergleichbare Fälle aus der Wirtschaft bekannt?
Peter V. Kunz: In der Schweiz: nein, und der Fall scheint mir rational auch kaum erklärbar. Wir müssen uns ohnehin bewusst sein, dass es objektiv betrachtet eigentlich um eine läppische kleine Angelegenheit geht, nicht um einen Milliarden-Prozess, wie beispielsweise bei den AT1-Abschreibungen mit einem Streitwert von 17 Milliarden Franken bei der UBS-CS-Fusion.

Als Luzerner von meiner mütterlichen Seite her bin ich mir aber bewusst, dass in der Innerschweiz «härti Gringe» verbreitet sind; einen vergleichbaren Fall könne ich mir beispielsweise im Kanton Zürich schlicht nicht vorstellen. Eine pragmatische Kosten-Nutzen-Analyse müsste längst zum Ende führen.